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Über 400 Kilometer und 11.200 Höhenmeter führt der Cape Wrath Ultra von Fort William in den Norden Schottlands

Tränen schießen mir in die Augen. Ich sitze auf einer Bank in einer kleinen Grünanlage in Fort William und telefoniere mit meiner Frau. Vor zwei Tagen habe ich den Cape Wrath Ultra gefinished. Ist es der Gedanke, heute Abend wieder zu Hause bei meiner Familie zu sein? Die Anspannung, die nachträglich von mir abfällt? Oder einfach das Glück, dass ich bei diesem einmaligen Etappenrennen in den schottischen Highlands dabei sein durfte? Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass mich kein anderes Laufevent bislang so berührt hat.

Der Cape Wrath Ultra: Die Fakten

In acht Etappen führt der Cape Wrath Ultra von Fort William zum nordwestlichsten Punkt Schottlands zum Leuchtturm nach Cape Wrath. Die Strecke beträgt 400 Kilometer, 11.200 Höhenmeter wollen überwunden werden. Übernachtet wird in Zelten, die Platz für bis zu acht Personen bieten. Es gibt Frühstück, Mittagssnacks und Abendessen (übrigens komplett vegetarisch und vegan), für die Verpflegung auf der Strecke sind die Läufer selbst verantwortlich. Wasser füllt man unterwegs in einem der zahlreichen Bäche auf. Das komplette Gepäck kommt in wasserdichte Packsäcke mit einem Volumen von maximal 80 Litern, die von Etappenort zu Etappenort transportiert werden. Da in den Sack auch Schlafsack und Isomatte reinkommen, will das Packen gut überlegt sein. Der Anteil an Asphalt beträgt 12%, an Forstwegen 30%, an Singeltrails 38%, und 20% der Strecke sind „trackless“. Was das bedeutet? Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich da eingelassen hatte. Doch dazu später mehr.

Das Eventteam

„Zum Schluss möchte ich mich beim Eventteam und dem tollen Support an der Strecke bedanken“ – so schließe ich häufig meine Wettkampfberichte. Dies würde dem Team vom Cape Wrath Ultra aber nicht gerecht werden. Denn es ist dieses Team, das fast ausschließlich aus freiwilligen Helfern besteht und das den Cape Wrath Ultra zu einem unvergesslichen und so emotionalen Erlebnis macht. Viele der Helfer sind selbst Ultraläufer und erarbeiten sich so einen freien Startplatz beim anderen Event vom Veranstalter. Sie wissen genau, wie man sich fühlt, wenn man durchgefroren und hungrig nach einem nicht enden wollenden Lauf durch Regen und Wind im Etappenziel ankommt. Sie kennen die Anspannung am Morgen vor dem Start, wenn man nicht weiß, was einen erwartet, nicht weiß, wie der Körper die nächsten Kilometer verträgt. Wenn ich an den Cape Wrath Ultra zurückdenke, denke ich an ihr Lächeln, ihre aufmunternden Worte, ihre Teilhabe, ihre Umarmungen, ihre Hilfe, ihren Einsatz von morgens bis spät in die Nacht.

Gemeinschaft

Der Cape Wrath Ultra ist Gemeinschaft. Man trifft sich im Essenszelt, setzt sich, wo gerade Platz ist, plaudert, findet ein paar aufmunternde Worte für die mit den dicken Knöcheln und getapten Beinen. Es gibt keine Masken, keine Unterschiede, niemand kümmert sich um Äußerlichkeiten. Dann gibt es noch die kleinere Gemeinschaft im Zelt. Zu Beginn waren wir zu siebt: vier Deutsche, ein Schotte, ein Engländer, ein Kanadier. Viel Platz ist nicht, die ersten Tage regnet es, alles ist klamm und kalt. Man taucht unter der Wäsche hindurch, die an Leinen im Zelt hängt. Man hilft einander, feiert die Heimkehr jedes Zeltnachbarn wie einen Etappensieg. Zum Schluss waren wir noch zu fünft.

Unterschätzt

Schon einige Absätz geschrieben, aber noch nichts zum Lauf, zu den einzelnen Etappen, der Natur, den schottischen Highlands. Ich will an dieser Stelle nicht jede Etappe detailliert beschreiben, denn auch wenn natürlich jede Etappe für sich ihre Bedeutung hat, verschwimmt die Erinnerung zu einem Großen und Ganzen. (Davon ausgenommen die achte Etappe, dazu gleich mehr.)

Ich habe den Cape Wrath Ultra unterschätzt. Sorge machte mir die nicht markierte Strecke, die Navigation mit GPS-Uhr und Karte. Doch dies funktionierte mit der Navigationsfunktion der Garmin Fenix 5 vollkommen problemlos, so dass ich kein einziges Mal in die Karte schauen musste, und auch der Kompass, der Teil der Pflichtausrüstung ist, blieb die acht Tage in der Brusttasche meines Rucksacks. Unterschätzt habe ich, wie technisch anspruchsvoll die Off-Trails sein würden.

Trackless: Off-Trail durch die schottischen Highlands

Tiefe Furchen von bis zu 1,5 Metern durchziehen die Graslandschaft. Ich suche nach einer Stelle, an der ich hinüberspringen kann. Stöcke ansetzen, die Sohle der Altra King MT krallt sich in den Matsch, ich lande auf der anderen Seite. Ich mache zwei Schritte und versinke bis zum Knöchel im vollkommen durchgeweichten Untergrund. Aber kein Grund zur Klage: Einen anderen Läufer in meiner Nähe hat es schlimmer erwischt; er steht mit dem rechten Bein bis zum Knie im Matsch und zieht sich mühsam mit den Stöcken wieder heraus.

Der Trail endet an einem Abhang. Ich schaue ungläubig auf meine Uhr: Die Linie führt gerade weiter. Ich schaue in die Ferne und sehe einige Läufer, die sich durch das unten liegende Tal kämpfen. Ich nehme die Stöcke in eine Hand und klettere vorsichtig hinunter. Manche Steine geben Halt, manche Steine sind lose und kippen nach unten weg. Ein Stein, der eigentlich recht stabil aussah, schlägt mir gegen die Wade. Ich brauche eine gute halbe Stunde, bis ich unten bin. Dabei waren es bis zum Etappenziel nur noch zehn Kilometer.

Aber die Off-Trails machen auch einen Riesenspaß. Fell-Running über die Highlands des Cape Wrath Ultra, weicher Boden, der leicht federt, einzelne Steine, damit es nicht langweilig wird. Gas geben, die Beine laufen lassen.

Dem Leuchtturm entgegen

Der letzte Tag. Wie immer starten wir je nach Lauftempo zwischen 7.00 und 9.00 Uhr. Die Langsamen zuerst, dann das Mittelfeld, zum Schluss die Spitze. Ich gehe um kurz nach 7.30 Uhr auf die Strecke, die heute nur 26 Kilometer lang ist und an der Küste entlang führt. Ich fühle mich gut, ja fast frisch. Im Gegensatz zu den meisten anderen Läufern habe ich kein Verletzungen, zumindest keinen nennenswerten, und ich gebe Gas. Die Stöcke sind heute im Packsack geblieben, die Hände sind frei, als ich von einem kurzen Asphaltstück in einen Singletrail einbiege. Ich überhole. Bin ich zu schnell unterwegs? Immerhin stecken mir schon 380 Kilometer in den Knochen. Egal. Laufen lassen. Es geht über den Strand, dann einen steilen Anstieg nach oben. Hände auf die Oberschenkel, Tempo halten. Mit einem weiteren Läufer klettere ich einen steilen Downhill nach unten, dann geht es an den letzten Anstieg des Cape Wrath Ultra. Der Leuchtturm ist in Sicht, die weißen Banner des Cape Wrath Ultra wehen. Die letzte Kräfte mobilisieren und unter dem Jubel der Helfer passiere ich als siebter die Ziellinie der letzten Etappe.

Fazit

Der Cape Wrath Ultra war mein bislang schönster, fordernster, emotionalster Lauf, und ich glaube nicht, dass er sich noch toppen lässt. Mit meinem 32. Gesamtplatz in 65:55:53h bin ich mehr als zufrieden, aber das ist eine kleine Randnotiz. Ich bin in Schottland verliebt (ein bisschen mehr noch als in die Alpen), in die Natur, die Gräser, den Matsch, die Steine, Wasserfälle und Bäche, in die Einsamkeit und die Wildheit.

(c) Foto „Finish Cape Wrath“: Jimmy Hyland / JHPVisuals

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Miteinander reden:

25 Antworten

  1. Herzlichen Glückwunsch, Bert! Sehr schöner Bericht – ich habe in unserem neuen Trailticker mal darauf hingewiesen. Mich fasziniert dieser Lauf (übrigens genau wie der Dragons Back in Wales) sehr!

    1. Lieben Dank, Sabine. Und vielen Dank für den Hinweis. Dragons Back ist bestimmt auch ein tolles Event, aber der Cape Wrath Ultra ist wohl sehr viel laufbarer, was mir entgegen kommt.

  2. Ich habe noch nie so einen langen Lauf gemacht, aber dein Bericht mit den Fotos haben mich nicht nur beeindruckt sondern gingen mir ziemlich unter die Haut…ich will das auch machen und so ein Bericht ist schon ein Teil der Vorbereitung! Danke!!!

    1. Dankeschön. Bei diesen langen Läufen hat man ganz viel Puste – man muss ja nicht so hetzen wie bei einem Marathon 😉

    1. Hi Victoria,
      noch mal werde ich wohl nicht beim Cape Wrath Ultra starten 😉 Aber du kannst mir auf Strava folgen – da findest du das Tracking von jeder Etappe.
      VG
      Bert

    1. Hallo Davide,
      vielen Dank für dein Feedback. Eine Kamera auf dem Kopf würde mich auf einer so langen Distanz stören. Dann filme ich lieber aus der Hand
      VG
      Bert

  3. Sehr interessanter Artikel und sehr schöne Bilder sowie das Video. Mein voller Respekt an dich 400 Kilometer ist sehr viel, das schaffe ich Nichtmal mit meinem Auto. 😉
    Respekt!

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